Brand Language
Von der Kunst der Klarheit zur Wissenschaft der Verwirrung: Audis Tone of Voice Guidelines im Praxistest
Immer mehr Marken investieren in digitale Brand Portale – allerdings meist nur als reine CD-Portale, in denen Farben, Logos und Schriften verwaltet werden. Auch Audi reiht sich hier ein. Was lobend zu erwähnen ist: Der sogenannte Styleguide von Audi behandelt neben den formalen Elementen auch inhaltliche Themen wie den Tone of Voice Guide. Auf dem Papier eine gute Sache. Doch was passiert, wenn man diesen Guide in der Praxis testet?
Ein Regelwerk, das sich selbst widerspricht
Audis Tone of Voice Guidelines sollen vermitteln, wie die Marke spricht – präzise, selbstbewusst und inspirierend. Doch schon beim ersten Lesen wird klar: Dieses Dokument ist alles andere als inspirierend. Mit seiner Überlänge und einem geradezu wissenschaftlichen Erklärstil wirkt es überkomplex und umsetzungsfern.
Ein Beispiel: Der Guide fordert eine „klare und direkte Sprache“, aber die eigenen Erklärungen sind oft das Gegenteil – verschachtelt, theoretisch und schwer verdaulich. Während eine präzise Markenstimme definiert werden soll, verliert sich das Dokument in nuancierten, teils widersprüchlichen Formulierungen.
Umsetzung? Fehlanzeige
Noch spannender wird es, wenn man sich ansieht, wie Audi diese Regeln tatsächlich anwendet. Ein kurzer Blick auf verschiedene Touchpoints der Marke – von der Website über Social Media bis hin zu Pressemeldungen – zeigt: Vieles von dem, was der Guide predigt, findet in der Realität kaum Anwendung. Der aufgestellte Anspruch und die tatsächliche Umsetzung klaffen weit auseinander.
Beispielsweise soll die Marke „selbstbewusst, aber nicht arrogant“ kommunizieren. Doch in der Werbung und in Produkttexten schwankt der Ton oft zwischen übertriebener Sachlichkeit und marktschreierischem Pathos – beides weit entfernt von dem fein austarierten Mittelweg, den der Styleguide vorgibt.
Der gute Wille ist da
So sehr der Guide in der Praxis scheitert, ein positiver Aspekt bleibt: Es gibt ihn überhaupt. Audi hat erkannt, dass Tone of Voice ein entscheidender Faktor für die Markenidentität ist. Das ist mehr, als man von vielen anderen Marken behaupten kann.
Mit einer Verschlankung, klareren praxisnahen Beispielen und einer konsequenten Umsetzung an allen Touchpoints könnte Audi hier wirklich ein Best Practice etablieren. Bis dahin bleibt der Styleguide allerdings mehr Wissenschaft der Verwirrung als Kunst der Klarheit.
Zurück zur Klarheit
Ein Tone of Voice Guide sollte Marken helfen, eine konsistente, lebendige Sprache zu finden – nicht zur Hürde für die eigenen Mitarbeiter werden.
Markensprache ist kein starres Konstrukt – selbst die detailliertesten Vorgaben lassen Raum für individuelle Nuancen und subjektive Interpretation.
– David Ernst, Brand Consultant
Genau hier liegt die Herausforderung – und die Chance für Audi, aus einem überladenen Regelwerk ein praxisnahes Tool zu machen. Denn Markenkommunikation lebt nicht von Vorschriften, sondern von gelebter Klarheit.